Die Bedeutung:
Konventionelle Lenormand-Decks enthalten keine Wildcard. Wenn Sie wollen, können Sie meine einfach aus Ihrem Deck entfernen. Falls Sie sie aber einsetzen wollen, können Sie das auf jede Weise tun, die Ihnen einleuchtet bzw. nützlich ist. Denn meine Wildcard spielt die Rolle eines Jokers. Sie kann jede Person und jede Thematik repräsentieren, die Sie wollen. Und sie kann, ganz spezifisch, für eine Person oder ein Thema stehen, dass Ihr Anliegen auf eine Weise beeinflusst, die nicht vorhergesagt werden kann. Abhängig von der konkreten Legesituation und Fragestellung setze ich selbst die Wildcard gerne ein als:
Eine Person, die genderqueer ist / deren Geschlecht unbestimmt ist: Wenn die/der FragestellerIn genderqueer ist oder sich nicht stark mit einem Gender identifiziert, zieht sie/er es vielleicht vor, vom androgynen Joker repräsentiert zu werden. Beide Herren- und Damenkarten wären dann noch frei, andere Personen zu repräsentieren. Wird die/der FragestellerIn von einer Dame bzw. einem Herrn repräsentiert, dann ist die Wildcard noch frei, eine zum Beispiel androgyne zu repräsentieren, oder jemanden, die/der genderqueer oder intersex ist (also z.B. nicht oder nicht eindeutig in eine der binären Kategorien weiblich/männlich passt). Außerdem könnte die Wildcard für eine Person stehen, deren Geschlecht der Fragestellerin nicht bekannt ist - zum Beispiel für einen Fötus, oder für jemandem, von dem nur die Internetpersona bekannt ist. Und die Wildcard kann eine Person repräsentieren, die für das Anliegen der Fragestellerin relevant ist, obwohl das der Fragestellerin nicht bewusst ist. Diese Person könnte bereits im Leben der Fragestellerin sein, und sie hat nur ihre Wichtigkeit nicht verstanden. Sie könnte aber auch für jemanden stehen, den die Fragestellerin noch nicht kennengelernt hat.
Etwas oder jemand, das/der nicht eindeutig ist: Etwas allgemeiner interpretiert als im vorangehenden Absatz repräsentiert die Wildcard eine Person, die nicht dazuzugehören scheint, seltsam ist, ungewöhnlich, oder schwer zu lesen - jemanden, der gerne ein Pokergesicht aufsetzt. Wenn sie sich nicht auf eine Person bezieht, kann die Wildcard für alles stehen - Situationen, Vorgänge oder Konzepte zum Beispiel - die, obwohl sie vollständig sind, in sich konsistent, nicht eindeutig sind, nicht eingrenzbar, die nicht in vorgefertigte Kategorien passen. Das wären Beispielsweise Lebensstile, die so individuell sind, dass man sich darin an keinem Vorbild orientieren könnte, oder Emotionen, die so komplex sind, dass man sie nicht in Worte fassen kann.
Der unbekannte Faktor / offene Frage: Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Wildcard als Fragezeichen zu lesen - als etwas, das wir gerne wissen würden, an das wir aber eben noch nicht herankommen konnten. Die Wildcard kann für etwas stehen, das "irgendwie schon da ist", wichtig für uns ist, das wir aber nicht entziffern können, noch nicht völlig verstehen. Sie kann bedeuten, dass etwas sehr greifbar erscheint, dass es aber, sobald wir wirklich danach greifen, wieder durch unsere Finger rinnt wie Nebel oder Wasser. Die Wildcard steht für offene Fragen, und sie kann auch darauf hinweisen, dass es keine Antwort gibt und geben kann, weil noch nicht alle Parameter festliegen. Sie steht für den unbekannten Faktor, den es in jeder Situation gibt - zum Guten oder zum Schlechten. Sie steht für etwas, das unbestimmbar ist.
Etwas das "noch nicht x" ist: Von einer etwas anderen Perspektive kann man die Wildcard einsetzen, etwas zu repräsentieren, das noch nicht verstanden, noch nicht in die Realität umgesetzt, noch nicht bestimmbar ist. In Kombination mit anderen Karten bedeutet das, das die Wildcard deren Attribute zu "noch nicht" zutreffenden Attributen macht. Beispiele hierfür sind: Wildcard + Schlüssel = eine Lösung, die noch nicht gefunden wurde; Wildcard + Sterne = ein noch nicht realisierter Wunschtraum; Wildcard + Park = noch nicht öffentlich; Wildcard + Schlange = ein Verlangen, dem man noch nicht nachging; Wildcard + Weg = ein Weg, den man noch nicht versucht hat. In all diesen Fällen tendiere ich stark dazu, die Kombination mit der Wildcard als Ratschlag zu sehen, dass es produktiv wäre, aus diesen nicht realisierten Attributen realisierte zu machen.
Etwas, alles: Wenn Sie die Wildcard weder als Repräsentantin für eine Person benutzen wollen, noch in den anderen Vorschlägen für ihre Verwendung viel Nutzen für sich sehen, können Sie sie für jedes Thema einsetzen, das Sie behandeln wollen. Vielleicht haben Sie zum Beispiel das Gefühl, eine bestimmte, Ihnen wichtige Thematik werde von keiner der anderen Karten stark genug angesprochen. Dann können Sie die Wildcard in allen Legungen als Repräsentantin dieses Themas lesen. Egal wie Sie die Wildcard einsetzen - es entspricht ihrem Zweck!
Hinweis: Vielleicht wollen Sie damit experimentieren, wie sich Ihre Interpretation der Wildcard ändert, je nachdem, ob die Jokerfigur richtig gedreht ist oder auf dem Kopf steht. Ist der Joker richtig herum, fällt sehr viel mehr Fokus sowohl auf den Joker als auch auf den Inhalt der Bilder in ihren goldenen Rahmen. Dies wird Sie vielleicht ermutigen, die Wildcard als Person oder als Repräsentantin für ein bestimmtes (wenn auch vielleicht nicht eindeutig zuordenbares) Thema zu lesen. Wenn Sie die Karte umdrehen, sodass die Jokerfigur kopfsteht, lenkt das die Aufmerksamkeit viel mehr noch auf die große Katze in dem Bilderrahmen, der nun ganz oben ist. Die Katze sieht nun aus, als ruhe sie auf dem Dach, unmittelbar neben einem offenen Dachfenster, mit dem tatsächlichen dunklen Sternenhimmel hinter ihr. Hier verlagert sich Ihre Interpretation der Karte vielleicht eher hin zum unbekannten Faktor, und zu Dingen, die unbestimmbar bzw. noch nicht realisiert sind. Wenn Sie wollen, können Sie diesen Effekt nutzen, um die Bedeutung der Wildcard in Ihren Legungen zu regulieren. Wollen Sie, dass die Karte ausschließlich eine Person oder ein bestimmtes Thema repräsentiert, lesen Sie sie ausschließlich mit der Jokerfigur richtig herum. Wollen Sie, dass die Karte ausschließlich den unbekannten Faktor repräsentiert, lesen Sie sie mit der großen Katze richtig herum. Ich persönlich versuche gerne beides. Nachdem ich zuerst die Karte in der Lage interpretiert habe, in der sie eben zuerst auftauchte, drehe ich sie um und interpretiere sie erneut. Manchmal ändert sich wenig. Aber manchmal erhalte ich auch zwei völlig unterschiedliche Interpretationen.
Das Bild:
Mit der Idee einer geschlechtsneutralen Jokerfigur spielte ich mich schon zu Beginn des Entstehens meines Lenormand-Decks. Allerdings merkte ich auch bald, dass eine Jokerfigur (und deren Interpretation als Repräsentantin einer Person) alleine nicht ausreichen würden, mich dazu zu motivieren, tatsächlich eine eigene Karte zu zeichnen. Eine solche Jokerfigur schien nicht allzu viel zum Deck beizutragen. Erst als ich begann, die Deutung meines potentiellen Jokers zu erweitern - mehr in die Richtung einer Wildcard - begann es auszusehen, als könne die Karte doch etwas zum Deck hinzufügen, dass die anderen Karten nicht bereits boten: den Aspekt des unbekannten Faktors, des Nicht-Bestimmbaren. Gleichzeitig brachte diese erweiterte Deutung auch ein neues Problem für die Darstellung mit sich. Während eine Jokerfigur in der Mitte der Karte sich wunderbar eignete, eine Person oder auch ein ganz bestimmtes Thema zu repräsentieren, war die Deutung als unbekannter Faktor, als Nicht-Bestimmbares wenig klar ersichtlich. Dieses Problem beschäftigte mich mehrere Monate; seine Lösung kam schlussendlich von einer ganz unerwarteten Stelle: von der kleinen Katze, die ich mir von Anfang an auf des Jokers Schultern stehend vorgestellt hatte. Mir wurde klar, dass die Katze, wenn sie nicht klein wäre, sondern viel größer als der Joker, und wenn es um sie herum Nacht wäre, den unbekannten Faktor sehr ausdrucksstark vermitteln würde. Zuerst schien es, als wären zwei verschiedene Karten nötig. Eine Jokerkarte mit einer kleinen Katze bei Tageslicht als Repräsentantin für eine Person oder ein bestimmtes Thema, und eine Wildcard mit einer großen Katze bei Nacht für den unbekannten Faktor, für das Unbestimmbare.
Aber schließlich kam mir die Inspiration, wie ich beide miteinander verbinden konnte. Wenn es Sie interessiert, finden Sie im Folgenden detailliertere Erläuterungen der verschiedenen Aspekte der Illustration.
Der Joker: Weil eine Jokerfigur, wie man sie in vielen gewöhnlichen Spielkartendecks findet, ein sehr starkes Symbol ist für viele der Bedeutungen, die ich ausdrücken wollte, zeichnete ich eine Jokerfigur, die einem Spielkartenjoker zumindest ähnelt. Ich gab ihr eine Narrenkappe mit Schellen, nur in einem eher ungewöhnlichen Weiß. Auch der Rest ihres Kostüms ist weiß. Denn weißer Stoff nimmt die Farbe des Lichtes an, das man darauf scheinen lässt. Abhängig davon, wer den Joker ansieht, und aus welcher Perspektive, kann er ganz unterschiedliche Qualitäten annehmen. Ich gab ihm einen androgynen Körper, damit sein Geschlecht nicht festliegt, und ein weiß geschminktes Gesicht, ähnlich wie bei einem Mimen. Das betont die Funktion der Jokerfigur als Darstellerin - die jede Rolle spielen kann, die Sie sie spielen lassen wollen.
Die Bilder in den Bilderrahmen: Die Idee, den Joker mit Bildern in goldenen Bilderrahmen zu umgeben kam mir erst sehr spät, als ich darüber nachdachte, wie ich die Wildcard formal mit den anderen Personenkarten verbinden könnte. Zuerst hatte ich geplant, die Jokerfigur in eine ähnliche Landschaft mit blühenden Bäumen zu setzen, die auch in allen Herren- und Damenkarten zu sehen ist. Wie sich herausstellte, führte das allerdings zu so einer starken Verbindung zu den anderen Personenkarten, dass es mir schwer viel, die Wildcard noch als irgendetwas anderes als eine Person zu sehen. Daher entwickelte ich schließlich das Konzept mit den Bildern, die zum Teil Ausschnitte der anderen Karten zeigen, zum Teil ganz eigene Inhalte, und in denen die blühende Baumlandschaft aus den anderen Personenkarten nur ein Bild von vielen ist. Diese Bilder in ihren Rahmen sollen zeigen, dass die Wildcard für alles stehen kann, was man sich nur ausdenken kann. Manche der Bilder hängen an der Wand, andere liegen auf dem Boden oder sind nur an die Wand bzw. aneinander gelehnt. Das zeigt, dass wir selbst es in der Hand haben, wie wir mit den Themen, die uns unterkommen, umgehen. Aber egal, wie wir damit umgehen, bleiben sie doch immer Teil unserer Realität, selbst, wenn wir unser Bestes tun, sie zu ignorieren. Sogar die, denen wir den Rücken zuwenden, werden schließlich in unser Leben einsickern, ob wir es wollen oder nicht. Um diese Tatsache anzudeuten, ließ ich einige der Bilder über ihre Rahmen hinaus ausgreifen, in den gemütlichen Raum des Jokers hinein. Nicht alle tun das, und selbst die, die es tun nur auf sehr subtile Weise. Am offensichtlichsten ist der Sand, der aus der Dünenlandschaft im Bild rechts oben über dessen Rahmen hinausrieselt - so viel bereits, dass ein Teil des Raumes bereits selbst begonnen hat, auszusehen wie eine Sanddüne.
Die Katzen: Die kleine Katze auf den Schultern des Jokers tauchte in der Karte nicht nur deshalb auf, weil ich Katzen liebe und eine im Deck wissen wollte. Während das zwar stimmt, hätte ich es wahrscheinlich trotzdem nicht getan, wenn Katzen nicht auch das perfekte Begleittier eines Jokers wären. Katzen können lebhaft sein, spielen gerne Streiche, sind aber auch würdevoll und elegant. Sie sind sehr zäh, wenn es sein muss, aber sie sind auch Meisterinnen des Hedonismus, wenn es die Situation erlaubt. Sie sind unabhängige Freigeister aber dennoch fähig, enge Beziehungen untereinander bzw. zu Menschen zu pflegen - wenn ihnen eben danach ist. Sogar wenn man mit Katzen vertraut ist, kann ihr Verhalten manchmal unvorhersehbar, mysteriös sein.
Was die große Katze betrifft, so erwähnte ich bereits oben, dass ihre Anwesenheit den unbekannten Faktor, das Unbestimmbare verdeutlichen soll. Die Realität der großen Katze ist ambivalent. Sie kann zum einen als ein überdimensionales Porträt einer normalgroßen Katze gesehen werden - was vor allem dann der Fall sein wird, wenn die Karte so gedreht ist, dass die große Katze kopfsteht. In diesem Fall existiert die große Katze nur als ein Gemälde unter vielen. Zum anderen kann man sie als reale, existierende Katze sehen, die weitaus größer ist als die Jokerfigur, und die von draußen in den Raum hineinblickt. Besonders, wenn man die Karte so dreht, dass die große Katze richtig gedreht liegt, sieht es aus, als blickte sie durch ein offenes Dachfenster herein - ruhig, definitiv nicht aggressiv und vielleicht sogar freundlich - zumindest im Augenblick - aber auch sehr aufmerksam und potentiell gefährlich.
Das Fehlen von Titel und Rahmen: Anders als die anderen Karten hat die Wildcard weder Titel noch Rahmen. Dazu entschied ich mich, weil ein Rahmen ein Bild nicht nur physisch, sondern auch metaphorisch begrenzt. Er betont nicht nur die physischen Grenzen des Bildes, sondern drückt metaphorisch auch aus, dass auch die mögliche Interpretation der Karte Grenzen hat. Ähnlich verhält es sich mit Titeln. Ein Titel ordnet ein Bild in eine bestimmte Kategorie ein, was manche Interpretationen essentiell macht, andere möglich, und wieder andere definitiv ausschließt. Weil die Interpretationen (und Einsatzmöglichkeiten) meiner Wildcard zumindest der Idee nach unbegrenzt sein sollen, gab ich ihr also weder Titel noch Rahmen.
