Die Bedeutung:
Die beiden wahrscheinlich meistgenützten Interpretationen des Reiters sind "Neuigkeiten" und "Veränderung". Ich verwende beide durchaus hin und wieder. Aber die Vorstellung von einem auf mich zugaloppierenden Reiter führte mich zu einigen weiteren Interpretationsmöglichkeiten, die ich mindestens so produktiv fand.
Neuigkeiten / etwas (mit)bringen: Traditionell wird der Reiter oft als Neuigkeiten oder Nachrichten gedeutet. Ohne Kontext können diese sowohl gut als auch schlecht sein (z.B. ein Jobangebot vs. ein Kündigungsschreiben). Welche Art von Neuigkeiten der Reiter mit sich bringt, muss aus umgebenden Karten bzw. Kontext abgeleitet werden.
Ich persönlich finde es außerdem sinnvoller, den Reiter etwas genereller als eine Person oder Situation zu deuten, die etwas relevantes mit sich bringt. Er kann auch für etwas oder jemanden stehen, der sich nähert, herankommt. Und er kann sogar, methodisch gedacht, eine bestimmte Herangehensweise repräsentieren.
Handeln / Veränderung / Unvertrautes: Wenn Sie sich diese Karte ansehen, wird hoffentlich intuitiv verständlich sein, dass der Reiter auch für Handeln steht. Er kann für den Ratschlag stehen, endlich zu handeln, die Tat zu ergreifen, oder ganz einfach dafür, dass gerade viele Dinge geschehen, dass gerade gehandelt wird. Oft weist der Reiter auf ein Geschehen in der Form von Veränderung hin. Nun gibt es allerdings mehrere Karten im Lenormand, die Veränderungen repräsentieren. Ich grenze deshalb gerne die Interpretation dieser Karten auf jeweils eine ganz bestimmte Art von Veränderung ein. Das macht ihre Interpretationen klarer und weniger austauschbar. Im Fall des Reiters grenze ich die Veränderung, für die diese Karte steht, auf Veränderung ein, die andere in Gang setzen, Veränderung, die auf die Fragestellerin zukommt (im Gegensatz also zu Veränderungen, die sie selbst verursacht).
Und zuletzt: Wenn Dinge sich verändern, sind sie uns zunächst unvertraut. Deshalb kann man den Reiter auch als etwas oder jemanden deuten, der uns nicht vertraut ist, wie zum Beispiel einen Fremden oder eine Neuigkeit - die auch den Kreis schließt zum vorangehenden Absatz.
Eingreifen / Einmischen / Belästigen: Wenn etwas oder jemand in Bereiche unseres Lebens eindringt, in der wir ihn nicht haben wollen, empfinden wir das als sehr unangenehm. Der Reiter repräsentiert daher Eindringen, Invasionen, aufdringliches Verhalten und sogar aufdringliche Gedanken (die wir nicht denken wollen, die uns aber keine Ruhe lassen). Er kann eine Person repräsentieren, die versucht, einzugreifen (im positiven Sinn), oder (negativ) sich in unsere Angelegenheiten einzumischen. Der Reiter steht für Piesacken, Bedrängen, und in manchen Kontexten sogar für Belästigungen und Übergriffe.
Positiv betrachtet allerdings kann er bedeutet, dass man etwas endlich anpacken sollte. Er kann bedeuten, dass eine Intervention, ein Eingreifen nötig ist, dass es gut wäre, auf etwas zu drängen.
Geschwindigkeit / Eile / Überraschung: Der Reiter steht für alles, was schnell geschieht, was schnell getan wird. Er kann die simple Tatsache repräsentieren, dass wir in Eile sind. Aber er kann uns auch warnen, dass wir uns nicht so sehr beeilen sollen. In Kombination mit anderen Karten bedeutet er manchmal, dass die Themen, die diese Karten ansprechen, rasch behandelt werden müssen. Und er repräsentiert Überraschungen: Das, was so schnell geschieht, dass wir es nicht kommen sahen.
Eifer / Aufdringlichkeit: Wenn etwas sehr schnell geschieht, oder wenn zu viel auf einmal geschieht, fühlen wir uns überfordert, überwältigt. Auch dafür kann der Reiter stehen. Er repräsentiert überfordernde Situationen, aber auch Charaktermerkmale, die andere Menschen leicht einmal überfordern. Er repräsentiert großsspurige, anmaßende, aufdringliche Personen oder aber auch Dinge bzw. Situationen, die grell, schrill, sehr durchdringend sind. Der Reiter steht für Angeberei und Pomphaftigkeit, aber auch sehr positiv für Überschwang, (Feuer)Eifer und Begeisterung.
Das Bild:
Der Reiter war eine jener Karten, die sich mir am längsten entzogen. Aber als er endlich auftauchte, sprang er mich richtiggehend an. Das sieht man auch an der Illustration. Das Pferd gallpiert nicht einfach auf gerader Linie dahin; es springt über eine Barriere direkt auf die Betrachterin zu, fast, als spränge es damit auch gleich aus dem Bild heraus. Nichts kann diesen Mann und sein Pferd aufhalten; sie wollen ihr Ziel erreichen, und das werden sie auch tun. In ihren Körpern ist viel Geschwindigkeit und Unmittelbarkeit zu erkennen. Im Hintergrund, hinter den Hügeln, geht die Sonne gerade auf, ein neuer Tag beginnt. Das macht die Rolle des Reiters als Überbringer von Neuigkeiten noch klarer.
