kreuz
INTERPRETATION


Prinzipien, Absolutismus, Schicksal, Bürde, Leiden  


Die Bedeutung: Eine der offensichtlichsten und einfachsten Interpretationen des Kreuzes ist Religion, Religiosität. Weil ich mich aber in sozialen Kreisen bewege, die fast ausschließlich säkular sind, und weil ich selbst nicht religiös bin, ist mir bisher noch keine einzige Kartenlegung untergekommen, in der Religion eine Rolle spielte. Glücklicherweise gibt eine Vielfalt anderer Deutungsmöglichkeiten. Auf diese konzentriere ich mich in der folgenden Interpretation.

Ideologie / Prinzipien/ Absolutismus: Auf einen säkularen Kontext übertragen steht das Kreuz zunächst einmal für Ideologien, nicht hinterfragte Überzeugungen und Dogmen. Ideologien sind Zusammensetzungen aus Doktrinen bzw. Glaubenssätzen, die sehr direkt unsere Erwartungen, Motivationen und Ziele beeinflussen. Sie haben eine starke normative Komponente, geben uns also vor, was "richtig" oder "gut" ist. Sie schreiben vor, wie die Gesellschaft aufgebaut bzw. geführt sein sollte, und wie wir uns als Individuen zu verhalten haben. Ein Dogma ist ein Prinzip eines Glaubenssystems (also zum Beispiel auch einer Ideologie), das als unumstoßbar wahr betrachtet wird. Anders als eine bloße Überzeugung ist ein Dogma so fundamental für das Glaubenssystem, dass das ganze Glaubenssystem, würde das Dogma als falsch erkannt, in sich zusammenbräche. Ideologien können gefährlich sein, vor allem, wenn sie absolutistisch sind - was Dogmen per Definition sind, weshalb sie in jedem Fall problematisch sind. In diesem sind kann das Kreuz als Warnung verstanden werden. Es kann auf Verabsolutierungen hinweisen, auf Intoleranz, auf Indoktrination. Positiv betrachtet steht das Kreuz dagegen für Prinzipientreue - und neutral gesehen repräsentiert es ganz einfach unsere Prinzipien bzw. starke Überzeugungen selbst.

Lebensaufgabe / Schicksal / Schicksalsschläge: Der Sache nach etwas sehr anderes aber ähnlich handlungsleitend wie eine Ideologie ist das, was wir als unsere Lebensaufgabe, unsere Berufung begreifen. Das Kreuz kann bedeuten, dass wir sehr viel Anstrengung in etwas stecken, wozu wir unserer Meinung nach geboren wurden. Einer solchen Aufgabe zu folgen kann eine sehr positive, selbstermächtigende Erfahrung sein. Oft weist das Kreuz aber eher darauf hin, dass uns das Verfolgen eines zu hoch gesteckten Zieles, oder das allzu gewissenhafte Ausführen einer uns nicht entsprechenden Aufgabe zur Last geworden ist. Von einer etwas anderen Perspektive betrachtet steht das Kreuz für den Glauben an das Schicksal, daran, dass bestimmte Geschehnisse vorherbestimmt sind. Und es kann für Schicksalsschläge stehen, die man nicht abwehren kann - man kann sich nur darauf vorbereiten, Frieden damit schließen und auf würdevolle und produktive Weise damit umgehen lernen.

Pflicht / Verantwortung / Bürde: Sehr eng verwandt mit dem Glauben, dass einiges oder alles was geschieht vom Schicksal bestimmt, gewollt ist, ist der Glaube, dass es Pflichten gibt, die wir nicht abgeben dürfen, die wir erfüllen müssen. Manchmal sind wir stolz darauf, wenn wir einer Pflicht nachkommen. Aber manchmal sind unsere Pflichten auch eine große Last für uns; sie können zur Bürde werden. Das selbe gilt für Verantwortung. Das Kreuz kann bedeuten, dass wir freiwillig Verantwortung auf uns nehmen, bzw. dass wir mit Verantwortung umzugehen wissen. Es kann aber auch darauf hinweisen, dass uns Verantwortung aufgezwungen wurde, bzw. dass die Verantwortung, die wir tragen müssen, zu schwer für uns geworden ist, vielleicht so schwer, dass wir bereits Schaden nehmen.

Anstrengung / Mühe / Leiden / Schmerz: In direkter Anknüpfung an den vorangehenden Absatz repräsentiert das Kreuz alles, was wir als Beschwernis empfinden. Es steht für harte Arbeit, Anstrengung, Mühe, Schmerzen - für jede Art von Leid, physisch oder nicht physisch. In Kombination mit den Mäusen repräsentiert das Kreuz einen Zustand völliger Erschöpfung.

Das Bild: Das Kreuz war eine der Karten, deren Darstellung mir am schwersten fiel. Denn einerseits musste (bzw. wollte) ich ein kreuzförmiges Objekt zum Hauptdarsteller der Illustration machen, andererseits war es mir sehr wichtig, allzu christlicher oder abgedroschener Symbolik (z.B. jemand, der ein hölzernes Kreuz trägt, oder ein Grabstein in der Form eines Kreuzes) fernzubleiben. Wie bei einigen anderen Karten auch verdanke ich die Lösung dieses Problems der Inspiration durch meine Familie und FreundInnen.
In meiner Darstellung der Kreuzkarte existiert das Kreuz nicht als materielles Objekt. Es existiert als Schatten in der Form eines Kreuzes. Diese Lösung wählte ich unter anderem deshalb, weil ein Schatten, wenn er auf etwas fällt, dieses etwas dunkler erscheinen lässt. Dass mein Kreuz ein Schatten ist, ist daher eine der ersten und wichtigsten Indikationen für die schweren, sogar düsteren Bedeutungen dieser Karte. Wenn Sie sich die Details der Illustration ansehen, werden Sie außerdem entdecken, dass der kreuzförmige Schatten von einer Person unter einem Joch geworfen wird (Bürde, Verantwortung). Die Person trägt zwei volle Eimer Wasser nach Hause (Lebensaufgabe, Pflicht). Die untergehende Sonne vor ihr (Prinzipien) blendet sie wahrscheinlich auch ein wenig (Ideologie, Dogmen) und lässt sie uns gegenüber in starkem Gegenlicht erscheinen. Dieses sehr schräg einfallende Gegenlicht ist es auch, das den Körper der Person und ihr Joch zu einem langen, kreuzförmigen Schatten macht (Schicksalsschläge, Leid). Und schließlich geht die Wasserträgerin über eine Wiese, die voll ist mit dem gleichen Klee, der auch in der Kleekarte zu sehen ist. In dieser bedeutete die Blume Leichtigkeit, einen unbelasteten Zustand. Nun, in der Kreuzkarte, fällt dunkler Schatten auf den Klee. Die Leichtigkeit ist fort.

 
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