Weg
INTERPRETATION


Alternativen, Entscheidung, Abwägungen, Ambivalenz, Zögern


Die Bedeutung: Die Bedeutung des Wegs ist unmittelbar einleuchtend vor allem dann, wenn man sich den im Englischen üblichen Titel ansieht: Wegkreuzung. Wenn wir uns vorstellen, dass wir in der Mitte einer Kreuzung stehen, uns um uns selbst drehen und all die verschiedenen, auseinanderlaufenden Pfade sehen, dann gibt uns das genau den richtigen Ausgangspunkt für die folgende Interpretation dieser Karte. Ganz am Ende fügte ich noch einen Absatz hinzu, wie man den Felsen in der Mitte der Kreuzung auf meiner Karte für die Interpretation nutzen könnte. Vielleicht finden Sie diesen Absatz inspirierend aber Sie können ihn natürlich auch einfach nicht beachten.

Verschiedene Richtungen / Alternativen / Vielfalt: Eine Wegkreuzung ist ein Punkt, an dem mehrere Pfade zusammen- bzw. auseinanderlaufen. Steht man an einer Kreuzung, bedeutet das immer, dass es mehrere Richtungen gibt, denen man folgen könnte. Und das ist auch die erste und vielleicht wichtigste Bedeutung dieser Karte: verschiedene Richtungen; mögliche Routen, die man nehmen könnte. In Beziehungslegungen kann sie auch für getrennte Wege stehen; nicht notwendigerweise im Sinne einer Trennung aber zumindest in dem Sinn, dass die Interessen der Beteiligten sich stark unterscheiden und sie sich deshalb auseinanderzuleben begonnen haben. Im Allgemeinen repräsentiert der Weg Alternativen, Optionen und auch Potentiale. Er steht für noch nicht ausgebaute Fähigkeiten, deren Potential aber bereits vorhanden ist, für Ziele, denen man noch nicht folgt aber jederzeit folgen könnte. Wenn Die Fragestellung nichts mit verschiedenen Optionen zu tun hat, aber ein bestimmtes Thema betrifft, dann kann der Weg auch darauf hinweisen, dass dieses Thema mehrere Facetten hat, von denen einige vielleicht noch nicht beleuchtet wurden. Manchmal steht der Weg für Varianten, für andere Versionen der selben Sache. Er repräsentiert Pluralität und Vielfalt.

Entscheidung / Wahlmöglichkeit / freier Wille: Wenn wir mit Alternativen konfrontiert sind, mit mehreren Optionen, schaltet sich unser Autopilot ab. Nun müssen wir eine bewusste Entscheidung treffen, wie wir weitergehen sollen. Deshalb steht der Weg für Wahlmöglichkeiten und auch für Entscheidungen bzw. Entscheidungsprozesse. Im allgemeinsten Sinn sagt die Karte nur, dass wir die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Alternativen haben, dass etwas wählbar ist, oder sogar beliebig. Aus dieser Perspektive ist der Weg auch die Karte des freien Willens: er steht für die Freiheit zu (nicht unbedingt aber von)etwas. Hier bedeutet der Weg, dass wir nicht die erste oder offensichtlichste oder meist gegangene Route nehmen müssen. Sie kann darauf hinweisen, dass wir niemals vergessen sollten, dass wir alleine unsere Entscheidungen treffen, dass wir alleine es sind, die für unser Leben verantwortlich sind. Manchmal aber sagt der Weg nicht, dass wir in eine andere Richtung gehen könnten wenn wir es wollten. Manchmal sagt er auch, dass wir eine Entscheidung treffen müssen. Oft scheint der Weg dafür zu sprechen, dass es eine gute Sache wäre, sich zu entscheiden, selbst wenn es uns nicht leicht fällt. Aber manchmal weist er auch darauf hin, dass wir darunter leiden, dass wir uns noch nicht bereit fühlen für eine nötige Entscheidung.

Abwägungen / Überlegungen: Vor einer Wahl zu stehen, setzt einen Überlegungsprozess in Gang. Wir sehen uns die Alternativen an, zumindest jene, die uns relevant erscheinen. Wir stellen sie unserem Ziel gegenüber, wir vergleichen die jeweiligen Risiken und Erfolgswahrscheinlichkeiten. Dieses Szenario ist der Grund, warum ich den Weg oft als Abwägungen, als Überlegungen interpretiere. Er steht für Situationen, in denen wir mehrere Dinge gegeneinander abwägen, oder über eine Sache spekulieren. Vielleicht weist der Weg darauf hin, dass man zu viel über etwas nachdenkt. Aber oft sagt er uns auch, dass es da etwas gibt, das wir in unsere Überlegungen mit einbeziehen sollten, was wir bisher noch nicht beachteten. In anderen Worten: Der Weg handelt vom Wenn und Aber, von Falls und Falls Nicht, von allem Für und Wider in Bezug auf eine oder mehrere Optionen.

Zögern / Prokrastination: Wenn wir auf eine tatsächliche oder metaphorische Kreuzung stoßen, lässt uns das gewöhnlich innehalten, zögern. Manchmal ist dieses Innehalten von so kurzer Dauer, dass wir es kaum bemerken. Besonders wenn wir bereits eine klare Vorstellung von unserem Ziel haben, und wenn die Alternativen, vor denen wir nun stehen, gut unterscheidbar sind und leicht abschätzbare Konsequenzen, dauert es nicht allzu lange, sich für eine davon zu entscheiden. Aber manchmal haben wir noch keine klare Vorstellung, wohin es gehen soll. Manchmal sind die Optionen, die wir haben, nicht sofort offensichtlich bzw. nicht klar unterscheidbar. Und ihre letztendlichen Konsequenzen sind oft nur schwer einzuschätzen und kaum einmal garantiert. In solchen Fällen wird unser Zögern stärker sein und länger andauern. Vielleicht sind wir so unwillig zu entscheiden, dass wir die Entscheidung einfach hinausschieben, auf der Stelle treten in der Hoffnung, dass wir neue Informationen bekommen werden, oder dass wir auf wundersame Weise überhaupt von der Notwendigkeit der Entscheidung befreit werden. Der Weg repräsentiert also nicht nur Zögern, sondern auch Verzögern, Aufschieben, Prokrastination.

Ambivalenz / Vieldeutigkeit / verschiedene Perspektiven: Das im vorigen Absatz beschriebene Zögern ist dann besonders stark zu überwinden, wenn wir gegenüber einer oder mehreren Optionen ambivalente Gefühle oder Gedanken haben. Wenn der Weg in einer Legung auftaucht, kann er daher auf Ambivalenzen hinweisen. Auf einer etwas philosophischeren und weniger entscheidungsbezogenen Ebene repräsentiert der Weg Ambiguität - Vieldeutigkeiten, Grauzonen, Relativität. Manchmal sagt er, dass wir nicht so dogmatisch sein sollen, dass ein gewisses Maß an Toleranz ratsam wäre. Der Weg kann als Erinnerung daran verstanden werden, dass die Dinge meist nicht eindeutig schwarz oder weiß sind, dass eine Angelegenheit immer verschiedene Seiten hat, man sie aus verschiedenen Perspektiven betrachten kann. Oft sagt uns der Weg, dass wir unseren Blickwinkel ändern sollten.

Wie man den Felsen in der Mitte der Kreuzung für die Deutung der Karte benutzen kann: Manchmal, wenn sich die Fragestellung um eine Entscheidung dreht, bitte ich die FragestellerInnen mir zu sagen, welche Gedanken oder Gefühle sie zu dem Felsen in der Mitte der Kreuzung auf meiner Karte haben. Manche Menschen sagen sofort, dass der Felsen ein Hindernis darstellt. Er hindert, meinen sie, eine Wanderin daran, einfach weiterzugehen; erfordert den besonderen Aufwand, darum herum zu gehen oder darüber zu klettern. In solchen Fällen kann man danach fragen, welches Hindernis der Felsen im Kontext der konkreten Legung repräsentiert. Andere Menschen sagen, der Felsen lade dazu ein, sich darauf zu setzen und eine Weile auszuruhen. Hier könnte man fragen, was denn gebraucht würde, aber noch nicht da sei, um die Entscheidung zu treffen - ob es wirklich nur Zeit und Rast sei, oder mehr Information, oder eine bestimmte Hilfestellung etc. Und manche Menschen bemerken den Felsen erst, wenn ich darauf hinweise. Hier könnte man einfach zur nächsten Karte weitergehen. Aber manchmal ist es vielleicht sinnvoll sicherzustellen, dass alle Optionen und ihre Konsequenzen bedacht wurden, die Entscheidung also auch nicht übereilt getroffen wird.
Mehr darüber, wie der Felsen zur Interpretation herangezogen werden kann, sowie zwei Beispiellegungen, finden Sie auf Englisch >> hier auf meinem Blog!

See also the annakblogs article >> So, is the Crossroads a positive or a negative card, then?


Das Bild: Da eine Wegkreuzung alle Bedeutungsebenen dieser Karte sehr gut darstellt, zeigt meine Karte auch genau das, kaum mehr und nicht weniger: eine Wegkreuzung. Weiter in der Ferne sind noch einige weitere Pfade zu sehen, denn natürlich zieht jede Entscheidung, die wir in der Gegenwart treffen, in der Zukunft wieder neue Entscheidungen nach sich. Zwischen den verschiedenen Pfaden sind nur subtile Unterschiede zu sehen. Manche scheinen häufiger genutzt, andere sind großteils überwachsen. Manche führen bergauf, andere bergab. Einige führen in die Richtung von Bergen, andere scheinen zum Meer hin zu führen. Gewiss ist der endgültige Zielort aber bei keinem.
Die schöne aber heiße, trockene Landschaft malte ich aus einem bestimmten Grund. Ja, die sonnige Kreuzung könnte ein guter Ort sein zu rasten und mitgebrachte Jause zu verzehren. Eine Weile genießen wir sicher den strohigen Duft des trockenen Grases, das rhythmische Zirpen der Zikaden, den cremigen weißen Staub des Pfades unter unseren bloßen Fußsohlen. Aber sehr lange verweilen werden wir nicht wollen. Bald wird sich beginnender Sonnenbrand bemerkbar machen; wir werden uns nach Schatten sehnen. Sobald unser Trinkwasser zur Neige geht, werden wir die heiße, trockene Kreuzung eilig verlassen. Hoffentlich haben wir nicht zu lange gewartet und haben noch genug Kraft übrig, weiterzugehen bis wir Schatten und Wasser finden. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit Entscheidungen. Eine Entscheidung eine Weile aufzuschieben kann der Situation angemessen sein. Oft ist es nur das Bequemste, und selbst das meist nur für eine kleine Weile. Schieben wir eine notwendige Entscheidung zu lange auf, erschöpft das unsere Ressourcen - und unsere Motivation, die Entscheidung schlussendlich doch zu treffen, sinkt mit jeder Minute, die wir sie hinauszögern.
Der Felsen in der Mitte der Kreuzung tauchte ganz von selbst im Bild auf, ohne bewusste Überlegung meinerseits. Erst nachdem ich ihn gezeichnet hatte wurde mir klar, dass mein Unbewusstes ihn wohl als Symbol für das oben erwähnte Innehalten in Wahlsituationen im Bild haben wollte. Manchmal bleiben wir stehen für eine lange und schmerzhafte Phase des Zögerns, manchmal für eine gute Rast und konstruktive Abwägungen. Und manchmal halten wir nur ganz kurz inne für eine Feier der Tatsache, dass wir frei sind, zu wählen.
Zuletzt ist es auch der Erwähnung wert, dass meiner Ansicht nach eine inhaltliche Verbindung zwischen den Karten Wege und Schlange besteht: In gewisser Hinsicht stehen sie einander genau gegenüber. Daher beschloss ich, die beiden Karten auch darstellerisch miteinander zu verknüpfen. Wie Sie sehen, wächst der Granatapfelbaum in der selben Landschaft, in die die Wegkreuzung eingebettet ist.



Während der Weg für Zögern steht, darauf hinweist, dass wir jemandem oder etwas ambivalent gegenüberstehen, repräsentiert die Schlange Zielgerichtetheit. Bei ihr gibt es kein Zögern mehr, denn alle Optionen wurden verworfen bis auf eine einzige: Man hat ein Ziel klar im Auge. Dies ist der Grund, warum ich blaue Kornblumen für den Weg wählte (jemand zaudert noch, wägt ab) und rote Mohnblumen für die Schlange (jemand ist leidenschaftlich motiviert zu handeln).

 
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